E-Mail von S:
Sehr geehrter Herr von Essen,
am 05. Juli findet eine Einwohnerversammlung zum Thema Bebauung des „Nordufers“ statt. Leider befinde ich mich dann gerade im Urlaub.
Im Wildauer Stadtboten steht:
„Eine mögliche Bebauung würde einen nicht unerheblichen Schub für die Bevölkerungszahl und die künftige Stadtentwicklung bedeuten.“
Daraus folgt logischerweise auch ein „nicht unerheblicher Schub“ auf den durchschnittlichen Mietpreis in Wildau!
Aus – wie allgemein bekannt – massiv gestiegenen Baukosten folgt, dass diese Wohnungen nach Fertigstellung nur zu extrem hohen Mietpreisen vermietet werden, die sich nur wohlhabende Zugezogene, nicht jedoch die jungen, wohnungssuchenden Wildauer leisten können.
Für den Wohnungsbestand und die vielen Wildauer Mieter bedeutet dies jedoch, dass der gewachsene durchschnittliche Wildauer Mietpreis sich im ohnehin sehr hohen „Mietspiegel“ niederschlagen wird, dem auch gutmütige Vermieter und Hausverwaltungen nicht lange widerstehen können.
Dagegen hilft nur : keine Bebauung!
Deshalb frage ich Sie als Bürgermeister-Kandidat:
Werden Sie sich im Interesse von Tausenden Wildauer Mietern – Kinderreiche, Geringverdiener, Rentner – dafür einsetzen, dass der Mietspiegel nicht exorbitant weiter steigt?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass am „Nordufer“ KEINE Bebauung stattfindet, die junge Wildauer Wohnungssuchende ohnehin nicht bezahlen könnten?
Ich bitte um eine klare Antwort, die sich auf mein Wahlverhalten auswirken wird.
Antwort von Enno:
Sehr geehr…,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich bedauere, dass Sie nicht selbst zur Veranstaltung kommen können. Die Versammlung wird aufgezeichnet und ist hinterher online abrufbar.
In aller Kürze:
Während sich 3 der 5 Kandidaten am Samstag klar für das Projekt am Dahme-Nordufer ausgesprochen haben, bin ich bis jetzt der Einzige, der sich absolut dagegen ausspricht – bereits von Anfang an.
[…]
Ich komme selbst aus der Immobilienbranche und beobachte seit Jahren einen besorgniserregenden Anstieg der Wohnkosten. Das hat mich veranlasst, nach den Ursachen zu suchen und Lösungsmöglichkeiten für dieses Problem aufzutun. Diese finden Sie weiter unten.
Wenn es konkret um das Dahmeufer geht bin ich der Meinung, dass wir genügend Nachverdichtungsflächen haben. Wir müssen das Dahmeufer daher in den nächsten 10-20 Jahren nicht bebauen.
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Das Ganze im Detail zu erklären ist etwas länger – vielleicht haben Sie ja die Zeit, es zu lesen:
Zunächst einmal muss die Entscheidung ob überhaupt gebaut wird oder nicht den Wildauerinnen und Wildauern vorbehalten sein. Sie alle sollten darüber abstimmen, ob hier Wohnungsbau geplant werden sollte.
Geht die Entscheidung mit „nein“ aus, ist dies so umzusetzen. Natürlich mit einer gewissen Sperrzeit, sonst diskutieren wir in 2 Jahren erneut.
Stimmen die Bürger hingegen mit „ja“, muss darüber verhandelt werden, wie eine Bebauung aussehen könnte. Denn „ja“ bedeutet nicht zwingend „mit Investor“.
In meinen Augen gibt es absolut keine Argumente, die für einen „Investor“ sprechen – gegen einen Investor dagegen umso mehr.
- Investoren stellen den Profit über den Menschen. Wohnraum und Mieter werden so zu einer Art Ware, mit der man handeln kann. Das muss zwangsläufig darauf hinauslaufen, dass Mieten weiter steigen in den betroffenen Objekten.
- Investoren sehen häufig nur „das geringste Risiko“. Im Bewerberverfahren würde die Auswahl daher eher gegen eine junge Familie und für sogenannte DINK-Haushalte ausfallen (Zwei Einkommen, keine Kinder). Das ist ein Desaster für unsere Familien, welches ich als nicht hinnehmbar betrachte.
- 1 und 2 führen zu der Schlussfolgerung, dass eine Kontrolle notwendig ist, die zum Beispiel jungen Familien Vorrang gibt, aber auch die Wohnflächen nach Einkommen verteilt. Damit wird verhindert, dass einkommensstarke Haushalte den Wohnraum belegen, der für einkommensschwache Haushalte zur Verfügung stehen muss.
- Kontrolle kann nur ausüben, wer Eigentümer ist. Das bedeutet ganz einfach: Der Wohnraum muss der Stadt oder einer eigenen Gesellschaft (z.B. der WiWo) gehören und darf nicht aus der Hand gegeben werden.
- Das führt wiederum zur der Erkenntnis, dass kommunale Flächen – und das Dahmeufer ist eine solche „indirekt kommunale Fläche“ – keinesfalls verkauft werden dürfen.
- Weniger Zuzug. Durch eine Steuerung des Wohnungsneubaus auf den jeweiligen Bedarf, was mit 2-3 Jahren Vorlauf gut gelingen sollte, können wir genau steuern ob und wieviel Zuzug wir überhaupt zulassen möchten. Ohne jegliche Steuerung werden z.B. 250 Wohnungen gleichzeitig fertig. Diese können unmöglich mit Wildauer Einwohnern belegt werden – und ein Großteil dieser Wohnungen wird mit Zuziehenden belegt. Das trägt die Infrastruktur in Wildau im Moment jedoch nicht.
- Neubau-Mieten: Ein Investor wird immer versuchen, das absolute Maximum aus der Anlage herauszuholen. Am Rosenanger waren – soweit ich mich recht entsinne – Neubaumieten von 9-10 Euro im Gespräch. Die ersten Wohnungen wurden für 12,50 Euro vermietet, inzwischen sind wir bei über 14,- Euro angekommen. Hätte man dieses Projekt unter kommunaler Kontrolle entwickelt, wären wir bei diesen 9-10 Euro – damals und heute.
- Bestandsmieten: Durch die große Lücke zwischen Bestands- und Neubaumieten steigen die Bestandsmieten stärker an. Dies wird durch WGW und WiWo zwar etwas abgefedert, nicht jedoch auf dem restlichen Wildauer Wohnungsmarkt. Teurer Neubau führt deshalb – wie Sie vollkommen richtig dargestellt haben – mittelfristig zu höheren Bestandsmieten für alle Wildauer Mieter.
Dies sind meine Argumente zur Bebauung – nicht nur für das Dahmeufer. Ich hoffe, dass es genügend Rückhalt in Wildau gibt, um dieses Projekt verhindern zu können. Nur so wird der Wildauer Mieter nicht zum Goldesel der Investoren.
Vielleicht haben wir ja bald die Gelegenheit, uns persönlich zu unterhalten. Wir sind in den nächsten zwei Monaten viel in der Stadt unterwegs – und ich freue mich über jeden offenen Dialog.
Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Urlaub!
Herzliche Grüße
Ihr Enno von Essen